Bei meinem Einsatz in Baku während der Europaspiele habe ich mal wieder gemerkt, wie sehr mir die „Mixed Zone“ gefällt, jener Ort, an dem Sportler und Journalisten während eines Wettkampfs, meist unmittelbar nach dem Auftritt des Sportlers, seines Triumphes oder seiner Niederlage, zusammentreffen. Ich weiß nicht, wie viele Stunden ich schon an diesem Ort in Sportstadien irgendwo in der Welt verbracht habe. Ob bei Olympischen Spielen, Welt- oder Europameisterschaften oder auch nur einer kleinen Deutschen Meisterschaft im Eiskunstlauf, eine Mixed Zone gibt es eigentlich immer.
In Baku existierte keine klassische Mixed Zone für die schreibende Presse, für die war erstmals eine „I Zone“ (I für Interview) vorgesehen, ein Ort mit Sitzecken, in der eine gemütlichere Atmosphäre herrschen sollte. Schöne Sache, aber längst nicht so spannend wie die echte Mixed Zone, jedenfalls in den meisten Fällen. Die direkte, unmittelbare, ungefilterte Reaktion und Emotion ist der Mixed Zone vorbehalten, wenn die Sportler noch verschwitzt und aufgewühlt von der Matte, von der Piste, vom Eis, vorm Spielfeld oder sonst woher kommen. Hier sind schon Tränen geflossen, der Freude, der Wut, der Enttäuschung, es wurde gelacht oder gebangt, wenn das Ergebnis noch nicht feststand, weil noch weitere Konkurrenten kamen, viele schöne Zitate, „flash quotes“ flossen direkt aus der Mixed Zone in die Artikel.

Ganz ohne diese Zone ging es auch nicht in Baku, für die TV-Sender war eine kleine Interviewecke am Rande des „field of play“, der Wettkampffläche, aufgebaut. Glücklicherweise durften wir vom News Service uns auch dort aufhalten, bei den Fernseh-Interviews mithören oder auch, wenn keine Kamera da war bzw. die Fernsehleute fertig waren, selbst etwas fragen. So kamen wir schnell an unsere Zitate. Unsere Pressetribüne befand sich am anderen Ende der Halle, so dass man entweder rechtzeitig losgehen oder einen Sprint einlegen musste. In manchen Sportarten kann ein Kampf auch ohne Vorwarnung plötzlich vorbei sein, z.B. im Judo, wenn ein Ippon erzielt wird. Im Taekwondo kommt es seltener vor, dass ein Kampf in der dritten Runde vorzeitig wegen zwölf Punkten Unterschied abgebrochen wird (aber das ist meist schon absehbar). Im Fechten kann es manchmal schneller gehen als gedacht, wie wir gemerkt haben. In Baku waren im Fechtwettbewerb vier Pisten im Einsatz, bis zum Halbfinale. Die zwei hinteren waren von der Mixed Zone aus nicht einsehbar und der Fernseher zeigte oft nicht das, was wir sehen wollten. Einer von uns blieb aber immer auf der Tribüne und gab dann das Ergebnis durch, damit wir auch die richtigen Fragen stellen konnten und wussten, wer gewonnen und verloren hatte. Nichts wäre ja peinlicher, als das nicht zu wissen (es gibt Leute, denen das nicht peinlich ist, wer schon mal in bestimmten Mixed Zonen bei bestimmten Veranstaltungen gearbeitet hat, weiß das, aber das ist ein anderes Thema).

Dann wieder steht man sich die Beine in den Bauch, weil entweder das Match sich doch noch in die Länge zieht oder weil die Sportler trödeln.
Im Eiskunstlauf kennen mich die meisten Sportler und umgekehrt, im Judo und Taekwondo nur vereinzelt, im Fechten kannte ich niemanden und sie mich und meine Kollegen vom News Service auch nicht, aber wir tragen küchenschürzenähnliche Leibchen mit dem schönen Aufdruck „News Service“ und sprechen die Sportler an, die wir interviewen möchten. Die meisten Athleten sind heute so professionell, dass sie Rede und Antwort stehen, auch wenn sie gerade verloren haben und naturgemäß enttäuscht sind. Natürlich gibt es welche, die uns nur ein unfreundliches „nein“ zuwerfen, wenn wir nach einem Kommentar fragen, aber ich kann das verstehen und nehme es ihnen nicht übel, nehme es auch nicht persönlich. Ich finde es nur unprofessionell, gerade bei prominenten Sportlern. Andere wiederum scheinen dankbar zu sein, wenn da jemand steht, mit dem sie ihre Freude oder ihr Leid teilen können und es tut ihnen gut, dass sich jemand für sie und ihre Story interessiert. Das gilt natürlich vor allem für Randsportarten, die sonst nicht viel mediale Aufmerksamkeit erhalten.

Nicklas, der junge dänische Journalist in meinem Team, der sonst vorwiegend beim Fußball arbeitet, erzählte mir von Mixed Zones in Südamerika. Da engagieren die Journalisten manchmal knapp bekleidete junge Frauen und bugsieren sie nach vorn, weil dann die Chancen steigen, dass so ein Fußballer stehen bleibt. Die Presseleute sagen den Frauen, was sie fragen sollen. Oder die Fußballer werden mit Süßigkeiten angelockt! Mhm. Vielleicht sollte ich auch mal so einer Eiskunstläuferin einen Schokoriegel hinhalten? 😉
Im Eiskunstlauf ist die Mixed Zone gerade bei Olympischen Spielen oft sehr groß und sehr voll, wenn die Stars kommen. In Sotchi wurden z.B. Interviews aus dem vorderen Teil der Mixed Zone in den hinteren Teil übertragen, und die Journalisten konnten nur ihre Aufnahmegeräte an den Lautsprecher halten. Im Short Track habe ich einmal erlebt, dass die Journalisten aus China und Korea kleine Trittleitern mitbrachten und so eine zweite Ebene schufen, von der aus sie ihre Mikrophone nach unten hielten. Aber aus Sicherheitsgründen war das nicht erlaubt und wurde schnell gestoppt.
In Baku bin sogar ich einmal in der Mixed Zone interviewt worden, und zwar vom weißrussischen Fernsehen, das wohl gerade nichts Besseres zu tun hatte. Sie befragten mich über meine Arbeit bei den European Games. So habe ich mich auch mal für zwei Minuten wie ein Sport-As fühlen dürfen, obwohl ich keinen Fuß auf die Matte gesetzt hatte. 😉
