Jetzt bin ich also in Rio de Janeiro, zum ersten Mal in Brasilien und überhaupt zum ersten Mal in Lateinamerika, aber nicht zum ersten Mal beim Olympic News Service. Die Informationen flossen etwas spärlich am Anfang, aber kurz vor der Abreise aus Deutschland am 13. Juli kam doch noch meine Akkreditierung an sowie eine Mail mit Infos zur Unterkunft.
Ich nahm den Nachtflug, Frankfurt-Rio direkt, das war eigentlich ganz gut, zumal ich mir einen schönen Sitz reservieren konnte, in der ersten Eco-Reihe mit viel Beinfreiheit, denn es war eine Lücke zur Premium Economy davor. In der Dreierreihe blieb zudem der Mittelplatz frei. Die Mitreisende am Fenster entpuppte sich als eine sehr gut Deutsch sprechende Niederländerin, die seit 30 Jahren in Brasilien lebt und mir schon etwas erzählen konnte.
In der Zeitschrift „Focus“ las ich auf dem Flug einen reißerischen Artikel über die wachsende Kriminalität in Rio und die Hilflosigkeit der schlecht bezahlten Polizei. Die Sitznachbarin riet auch zu Vorsichtsmaßnahmen, also am besten keinen wertvollen oder auffälligen Schmuck tragen, nur das nötigste Geld mitnehmen etc. Ich weiß, daß die Leute oft auch immer davon sprechen, wie gefährlich Rußland sei, was ich aber gar nicht so empfinde, aber natürlich war ich schon verunsichert, wie gefährlich es nun wirklich ist. Wie soll ich ohne Ohrringe auf die Straße gehen???? 😉
Die Maschine landete kurz vor fünf Uhr morgens und ich traf einen Griechen, der für die Agentur AP arbeitet, an dem Stand, an dem wir unsere Akkreditierung „validieren“ lassen konnten. Wir teilten uns ein Taxi, das war recht teuer. Natürlich haben wir zu viel bezahlt, aber wir wollten nicht mit unserem Gepäck in Bussen herumgurken, zumal wir nicht genau wußten, wie wir zu unserer Unterkunft, dem Mediendorf Nummer 3 im Stadtteil Barra kommen sollten. Der Taxifahrer wußte es auch nicht genau, weil dieses Mediendorf brandneu ist, aber er fand es, nachdem er ein paar Anwohner fragte.
Unser Mediendorf besteht aus neun in freundlichen, beige gestrichenen sechsstöckigen Apartmenthäusern, einigen kleineren Gemeinschaftsräumen wie Restaurant, Fitnessclub und Wäscherei und hat sogar einen Swimmingpool und Spa mit Sauna und Whirlpool. Im kleinen „Dorfladen“ gibt es jede Menge Alkohol und Snacks, aber Wasser hatten sie zunächst nicht. Läßt das Rückschlüsse auf das Bild der Journalisten in Brasilien zu?

Ich landete in Apartment 606, und soweit ich weiß, sind die fast alle gleich und bestehen aus drei kleinen Zimmern (eines davon ist ein Doppelzimmer), zwei Bädern mit Dusche und WC, einem Küchenbereich (mit Kühlschrank und Mikrowelle, aber kein Herd) und einem Wohnbereich mit einer Couch und zwei Schreibtischen. Wir haben gut funktionierendes W-Lan. Leider konnte man sich nicht ein Zimmer aussuchen (ich war als Erste angekommen und hätte die freie Auswahl gehabt), sondern bekam eines zugeteilt. Es ist das kleinste Zimmer, außer dem Bett paßt nicht viel hinein. Ich richtete mich erst einmal ein.
Im Apartment haben wir ein paar Kunststoffteller und -becher sowie Besteck. Am zweiten Tag kam noch Spülmittel dazu sowie eine Seifenschale fürs Bad und ein Handtuchhaken, der aber nicht lange hielt. In den Schlafzimmern und im Gemeinschaftsraum hängen ein paar kleine Bilder, die mit Klebestreifen befestigt sind, aber auch das hielt nicht lange. Meine Bilder stehen nun auf dem Nachtisch bzw. auf dem Kopfteil des Betts.
Am frühen Nachmittag kam meine erste Mitbewohnerin, Lena Smirnova, eine Russin, deren Familie aber nach Kanada ausgewandert ist. Ich kannte sie flüchtig von anderen Events. Zusammen gingen wir in den Supermarkt, der ca. 15 Minuten Fußweg entfernt ist und kauften ein paar Kleinigkeiten ein.

In Supermärkten schaue ich mich in anderen Ländern immer gerne um, um einen Eindruck vom Lebensstandard zu bekommen. Mich überraschte, wie teuer manche Lebensmittel sind, teurer als in Deutschland. Dabei verdienen die Menschen weniger. Zum Beispiel kostete ein Schälchen Hüttenkäse umgerechnet 2,20 Euro – das gibt es bei uns für 49 Cent (bei etwa gleicher Packungsgröße). Ein Stück Käse (importiert) kostete gar 8, 80 Euro umgerechnet, und es war kein besonders großes Stück. Wie ich hörte, sind besonders importierte Waren sehr teuer, da mit hohen Zöllen belegt. Aber der Hüttenkäse war ein brasilianisches Produkt. Andere Sachen kosten etwa so viel wie in Deutschland, was für hier ja auch teuer ist, auch wenn ich weiß, daß die Lebensmittelpreise bei uns im internationalen Vergleich niedrig sind. Der Supermarkt machte insgesamt einen etwas heruntergekommenen, staubigen Eindruck.
Tag 2 begann damit, daß ich mit einigen anderen ins Uniformzentrum fuhr, um die Uniform zu bekommen. Da hatten wir unsere erste Erfahrung mit dem Verkehr und den Entfernungen in Rio, denn die Fahrt dauerte fast zwei Stunden. Wir fuhren mit Taxis, denn mit Bussen und der Metro hätte es noch länger gedauert, außerdem ist bei uns keine Station in der Nähe, und wir kannten uns ja auch nicht aus. Ich registrierte mich extra bei Uber, und das funktionierte sehr gut. Unser Uber-Taxi, das ich mit drei anderen teilte, kostete mit rund 20 Euro die Hälfte von dem, was die anderen bezahlt haben, die mit einem normalen Taxi gefahren sind.

Das Uniformzentrum ist in Lagerhallen für Karnevalswagen untergebracht, und wir sahen einige Figuren wie einen Indiander mit Pfeil und Bogen oder einen Adler. Wir hatten Glück und bekamen unsere Sachen schnell, ich erhielt die passenden Größen. Man kann alles anprobieren, und das ist auch ratsam, denn die Klamotten fallen höchst unterschiedlich aus und können nicht umgetauscht werden. Während wir im Uniformzentrum auf unsere Kollegen warteten, deren Taxi deutlich länger brauchte als unseres, konnte ich mich mit den Katzen beschäftigen, die auf dem Gelände herumstreunen.
Im Grunde ist die Ausrüstung bei solchen Events immer ähnlich, manchmal gibt es etwas mehr und bessere Sachen, manchmal ist es etwas bescheidener. Rio ist so in der Mitte, würde ich sagen. Diesmal ist nicht Adidas der Ausstatter, sondern die chinesische Firma 361°. Unser Uniformset besteht aus drei Polohemden in gelb-gruen, zwei ockerfarbenen Hosen, einem Stoffguertel, drei Paar Sneaker-Socken, einer Jacke, einem Regecape, einem Paar gruener Turnschuhe, einer kleinen Tasche, Plastikflasche und Flaschenclip (zur Befestigung am Guertel oder der Tasche). Die Farben finde ich nicht so toll. Wie schon bei manchen anderen Spielen sind die Farben den Funktionen zugeordnet. Alles was die „operativen Taetigkeiten“ betrifft traegt dieses Gelb, medizinisches Personal hat Rot, Offizielle wie Schiedsrichter Blau und wer fuer Zuschauer zustaendig ist, hat Gruen. Das Hemd ist aus Polyester, also nicht so angenehm zu tragen, aber es wird schnell trocknen, wenn man es waescht.
Vom Uniformzentrum fuhren wir ins Main Press Center (MPC), wo wir weitere Kollegen trafen und unsere Login-Details für unsere Rio-E-Mail-Adresse sowie das Programm bekamen, in dem wir später unsere Artikel verfassen. Jeder richtete so sein Konto ein. Bei mir klappte alles und das System unterscheidet sich nicht wesentlich von früheren Versionen.

Fuer Sightseeing war noch keine Gelegenheit, aber ich hoffe, die kommt noch. Ein bisschen nervt es, dass es frueh dunkel wird und man gerade als Frau nicht alleine unterwegs sein sollte, schon gar nicht, wenn es dunkel ist. Aber unsere Teamkollegen, die z.T. schon seit vier Jahren in Rio leben, weil sie hier die Spiele vorbereiten, sagten, sie seien nie ueberfallen worden, aber sie beachten eben gewisse Vorsichtsmassnahmen. Eine verteilt ihr Bargeld auf verschiedene Hosentaschen und geht ohne Handtasche auf die Strasse und sie faehrt nicht mit dem Bus. Aber das sind schon gewisse Einschraenkungen, an die ich mich erst gewoehnen muss.
Liebe Tanja
Vielen Dank für diese Einblicke
Freue mich schon auf deinen Nächsten Eintrag
Alles Gute dir und weiterhin viel Spaß
Ulrike
Na dann , viel Spaß in Rio👍👍